Von Reiner Trabold, Redakteur i.R.
„Der Verbandsgipfel der deutschen Waldbesitzer war gestern in der Hauptstadt, um der Öffentlichkeit in Erinnerung zu bringen, dass die Schäden im Forst weiter zugenommen haben. Und sie warfen der Regierung vor, ihre Maßnahmen zur Verringerung der Schadstoffbelastung seien völlig unzureichend. Sie haben leider nur allzu recht. Denn von den angekündigten Rettungsaktionen für den Wald ist herzlich wenig geblieben. Der Innenminister ist nach großen Worten große Taten schuldig geblieben.“ Nur ein Auszug aus einem Leitartikel von Reiner Trabold vom 29. Mai 1985 im Darmstädter Echo. Der Kommentar unter dem Titel „Der Kanzler im Wald“ endet mit der ernüchternden Erkenntnis, „dass mit Schwanengesängen unter nadelnden Ästen nichts zu retten ist“ und stellt die eher rhetorische Frage: „Ob sich daran etwas ändert?“
34 Jahre später könnte man diese Meinungsäußerung bis auf kleine Änderungen noch einmal veröffentlichen. Die Bundeshauptstadt hieß damals nämlich noch Bonn, der Kanzler Kohl, der Innenminister Zimmermann. Und es geht heute nicht mehr allein um Banales wie „Schadstoffe“, sondern um ein umweltpolitisches Monstrum namens „Klimawandel“. Nur die Reaktionen und politischen Mechanismen sind noch die gleichen. Es bedurfte des geballten Protests der „Friday-for-Future“-Bewegung, die Politik endlich wachzurütteln und klar zu machen, dass es um noch viel mehr geht als um den bedrohten Wald. Der wurde ja über Jahrzehnte gesundgebetet, obwohl die Schadenberichte en detail aufdeckten, wo schlecht es um die Bäume tatsächlich bestellt ist. Die Politik hat nicht wahrhaben wollen, dass es nicht fünf vor, sondern schon zehn nach zwölf ist und so getan, als bliebe noch Zeit zu handeln. Das obwohl Wissenschaftler rund um den Globus schon seit langem warnend den Finger heben. Die vom damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter in Auftrag gegebene Studie „Global 2000“ kam schon 1980 zum Schluss, es sei höchste Zeit zum Handeln. Damals ging ein betroffener Aufschrei um die Welt, der freilich verhallte und inzwischen vergessen ist. Wenn man bedenkt, dass ein Nichtsnutz wie Donald Trump 40 Jahre später das Pariser Abkommen zur internationalen Abwehr der Klimakatastrophe auf den Abfallhaufen seiner Politik geworfen hat, müssen einem die Tränen kommen. Der Klimastress, der den Wald sterben lässt, ist längst nicht mehr zu leugnen. Es geht nicht mehr darum, den Sauren Regen zu stoppen, sondern den Ausstoß von Treibhausgasen wirksamen zu bekämpfen. Dafür ist es schon zu spät, die Erderwärmung mit all ihren unermesslichen Folgen zu stoppen oder wenigstens zu bremsen. Das beste Beispiel dafür, wie wenig sich im Umweltbewusstsein getan hat: Ein weiterer Auszug aus Trabold dem Kommentar von 1985:
Wirksame Maßnahmen wie die Wiederbelebung des Öffentlichen Personennahverkehrs und die Verlagerung der Fracht auf die Schiene lassen auf sich warten. Stattdessen werden die Straßen zu Rennstrecken und Transportpisten ausgebaut. Und die Entscheidung über ein Tempolimit ist erst einmal auf die lange Bank geschoben worden. Die Gegner einer wirksamen Geschwindigkeitsbegrenzung sitzen wahrscheinlich am längeren Hebel. Ein billiges Gegenargument hat gestern der ADAC wieder aufgetischt: Test in der europäischen Nachbarschaft hätten ergeben, dass sich die Autofahrer nicht zügeln lassen. Das suggeriert unseren Autofetischisten, dass ein Tempolimit doch nicht durchzusetzen ist und sie getrost weiter rasen dürfen. Wer wollte sie auch stoppen?“
In Frankreich bin ich auf der Landstraße von der Normandie bis an die Grenze zu Deutschland über gefühlt 1000 Bodenschwellen geholpert, die zum vorgeschrieben Tempo 30 zwingen, will man nicht einen Achsbruch riskieren. Soll nur heißen: Es geht. Wenn man es muss, geht noch viel mehr.