11. Juli 2018

 

Guten Appetit

 

Das hätte ich besser nicht gesehen. Da vergeht einem der Appetit auf Gemüse und Obst aus dem Süden. Unglaublich, unter welchen Bedingungen Menschen arbeiten und leben müssen, damit im Supermarkt der Warenkorb ordentlich gefüllt ist. Diese ARD-Doku wird all jene in Konflikte stürzen, die wegen der unhaltbaren Zustände bei der Massentierzucht zu Vegetariern wurden – und jetzt sehen müssen, wie ihre Lebensmittel produziert werden. Der Film*) gilt hoffentlich nicht für alle Erzeugerbetriebe, die aus Italien und Spanien die Lebensmittelabteilungen unserer Discounter und Märkte liefern. Alleine, dass es die gezeigten Missstände gibt, raubt einem den Appetit auf frische Früchte und knackiges Gemüse. Und dass die Mafia die Hände tief drinnen hat in diesem schmutzigen Geschäft überrascht nun wirklich nicht. Es sind also nicht nur Hühner und Schweine, die nicht artgerecht gehalten werden, erfahre ich, es sind auch Menschen. Nicht etwa in der Dritten Welt, sondern hier in Europa. Unter dem offensichtlich blinden Auge des Gesetzes. Geflohen aus der Armut, wie Vieh übers Meer verfrachtet endet die Sehnsucht nach einem besseren Leben in der Sklaverei auf Feldern der von der EU subventionierten Plantagen in Andalusien oder Kalabrien. Habe mich schon immer gefragt, wo die armen Kreaturen hinkommen, die auf Lampedusa anlanden – wenn sie anlanden. Widerlich, dass Lebensmittelkonzerne das mitmachen. Und am widerlichsten ist, dass wir Verbraucher, weil wir süße Früchte gern immer noch ein wenig billiger hätten, Mitverursacher sind. Wegschauen hilft nicht. Reiner Trabold

 

*) „Europas dreckige Ernte“, Dokumentation von Vanessa Lünenschloß und Jan Zimmermann, ARD.

 

 

 

 

9. Juli 2018

 

Ersaufen lassen?

 

Was ist das nur für eine Welt? Während sie der Rettung einer jungen Fußballmannschaft aus einer Höhle in Nordthailand fiebernd verfolgt und die Luft anhält, schaut sie zu, wie Menschen auf ihrer Flucht in ein vermeintlich besseres Leben im Mittelmeer ersaufen. Der Satz „Wenn wir sie retten, kommen doch immer mehr“ lässt mich schaudern. Gemeint sind die, die sich in wackeligen Gummibooten oder Seelenverkäufern gewissenlosen Schleppen und damit dem Schicksal ergeben, um ins gelobte Land zu kommen. Es gilt in manchen Kreisen als salonfähig zu sagen, lasst die ertrinken, dann kommen sie wenigstens nicht zu uns. Soweit sind wir also schon, dass wir solche Aussagen sprachlos zulassen. Wie schlimm muss die Verzweiflung, wie groß die Hoffnung sein, dass Menschen ihre Heimat aufgeben und ihr Leben riskieren, weil alles besser ist, als das, was sie zurücklassen. Es ist geradezu pervers, sogar jene vor Gericht zu stellen, die sie retten wollen. Und wider den humanistischen Geist, auf den wir uns so viel einbilden. Unser Wohlstand lähmt uns, mehr zu tun, als uns zu erschrecken. Wo bleibt die öffentliche Empörung darüber, dass Menschen zusehen wie Menschen im Wassergraben vor den Toren Europas jämmerlich ums Leben kommen? Ich könnte kotzen. Hoffe zugleich, dass die Jungs in Thailand heil aus der Höhle kommen. von Reiner Trabold