Buchkritik:                                                     Der Narr und seine Maschine - Friedrich Ani

foto: regina trabold
foto: regina trabold

 

Buchkritik mit einem Glas Negroni. Gin, Campari, roter Vermouth

 

 „Sie waren beim Negroni angelangt.“ Ich lese den Satz in Friedrich Anis „Der Narr und seine Maschine“. Die Maschine ist eine „grüne Monika“, eine Reiseschreibmaschine. Der „Negroni“ sticht mir ins Auge, bleibt an meinem Gedanken hängen wie ein Klette. Da war etwas. Ich kenne diesen Aperitif, erinnere mich, weiß aber nicht wie und wo. Es muss in Florenz gewesen sein. In einer Bar im Mercato Centrale. Ist schon ein paar Jahre her. Damals war der Markt im Herzen der Stadt noch nicht zum Touristen-Rummelplatz verkommen, sondern hatte noch seine ursprüngliche Funktion. Ich sehe noch diese Eiswürfel im  old-fashioned Tumbler und wie es Signora hinter dem Tresen zu gleichen Teilen mit Gin, Campari und einem roten Vermouth auffüllt. „Questo è un Negroni“, klärt sie mich auf. Den ersten Schluck werde ich nicht vergessen. Wir haben uns sofort verstanden. Und dann treffen wir uns Jahrzehnte wieder. In diesem Buch. Ach was. In diesem Büchlein.

 

„Ein Fall für Tabor Süden.“ Der Vermisstensucher, ursprünglich Polizist, jetzt Detektiv, erhält den Auftrag, ein Phantom zu finden. Den zu seinen Glanzzeiten berühmte Schriftsteller Cornelius Hallig (sein Pseudonym: Georg Ulrich) macht er ausfindig und trifft ihn in einem Café mit seinem schwarzen Rucksack, in dem er eine SIG Sauer, neun Millimeter verstaut hat, mit der er sich am Grab seiner Mutter aus dem Leben schießen will. Hallig, ein Wrack. Sie besaufen sich mit Bier und dem Cocktail Negroni , wanken danach nach draußen, wo der Schriftsteller eine Kippe nach der andern raucht und mürber Stimme sagt, dass die Sonne vor viereinhalb Milliarden Jahren zum ersten Mal über der Erde aufgegangen sei – „und niemand da war, um das Schauspiel zu bewundern“. Wenig später lag Hallig auf dem Asphalt, „zur Seite gedreht, eingehüllt in seinen Wollmantel. „Wind kam auf und löschte die Glut der Zigarette“, beschreibt Friedrich Ani die letzten Züge des vom Diabetes schwer gezeichneten Hallig. Ein Hirnschlag erledigt die Arbeit der SIG Sauer, neun Millimeter. Vielleicht zu viel des süßen Negroni für den Zuckerkranken?

von reiner trabold