17. Februar 2019

 

 

Der nationale Notstand

 

 

 

„Tear down this wall.“ Die Forderung des US-Präsidenten Ronald Reagan hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Beim Besuch in Berlin hatte er 1987 vor dem Bollwerk Michail Gorbatschow beschworen, die Mauer einzureißen, die Deutschland teilte. Es zeigte Wirkung. Denn zwei Jahre später fiel sie. Ich habe Ronald im Ohr, wenn ich Donald nach einem Schutzwall gegen das Böse rufen höre.  Trump hatte die Mauer versprochen, will Wort halten, obwohl Mexiko das Monsterbauwerk nicht mitfinanziert, wie es Absicht war. Weil Trump mit dem Kopf durch die Wand will, aber zu wenig Geld für die Mauer bekommen  hat, ruft er „Emergency“. Der nationale Notstand soll die USA vor Banditos, Desperados und Drogenbaronen bewahren. Dabei ist erwiesen, dass die Zahl der Migranten kontinuierlich sinkt, die meisten mit Visen in die Staaten einreisen, um zu bleiben, Drogen trotz Grenzkontrollen eingeschleust werden. Da kann die Mauer noch so hoch sein. Bei den Kongresswahlen im Herbst büßten Trumps Republikaner die Mehrheit ein.  Die Demokraten mauerten beim Haushalt, bremsten die Mauerpläne des Präsidenten aus. Kein Haushalt, kein Geld für alle Staatsbediensteten. Shutdown. Dann auch noch der nationale Notstand, dessen Notwendigkeit durch die perfide Zurschaustellung der angeblich von Einwanderern massakrierten Opfer bewiesen werden soll. Es ändert nichts daran: Die Mauer ist ein Aberwitz.

  von reiner trabold

 

 

 

10. Februar 2019

 

Gelbe Gefahr

 

Seit Juli 2014 ist sie Pflicht. Die gelbe Warnweste muss in jedem Fahrzeug mitgeführt werden, damit sich der Fahrer bei einer Panne deutlich von seiner Umgebung abhebt. Was also liegt dem Autofahrer näher als die Gelbweste? Wahrscheinlich nur noch das Hemd – und der Geldbeutel. In Frankreich zeigt sich, wie sich Unzufriedenheit und Groll in diesen Tagen kleiden, sich die gelben Westenträger Luft machen. Ein Volksaufstand. Könnte man meinen. Für Emanuel Macron hat die Revolte längst existentielle Formen angenommen. Auch weil er ihr nachgeben musste. Jetzt ist er auch noch im Clinch mit Italien. Dass Frankreich seinen Botschafter aus Rom abgezogen hat, beweist eindrucksvoll, wie fragil die Europäische Union geworden ist. Denn es ist 70 Jahre her, dass Frankreich  einen solchen diplomatischen Schritt letztmals ging. Das war zu Zeiten eines Diktators Benito Mussolini. Und worüber haben sich die beiden jetzt in die Haare bekommen? Anstatt eines Freundschaftsvertrags gibt es Krach über die Flüchtlingsfrage. Dabei versucht die Allianz aus Fünf Sternen und Lega von der eigenen Erfolgslosigkeit abzulenken, indem die Macron als Feindbild aufbaut und den geschwächten Präsidenten stürzen will. Deshalb traf ein Gelbwesten-Führer in Rom Regierungsvertreter. Ein Affront. In Italien zeigt sich die Macht der „sozialen Medien“, gesteuert über die Internetplattform „Rouseau“ des Mailänder Strategen Davide Casaleggio, der die Fäden der Fünf Sterne digital zieht. Die Fünf Sterne, zurückzuführen auf die Sympathiebewegung des Komikers Grillo, sind unter Casaleggiosn Regie  zur politischen unberechenbar  geworden. Zurück zu den Westen im Westen: Auch sie werden über die „sozialen Medien“ gesteuert. In ihrem gelben Gewand steckt der Sprengstoff der Nationalisten und der Feinde Europas. Es zeigt sich, wie schnell unzufriedene Menschen quasi auf Knopfdruck bereit sind, sich dem Protest anzuschließen, gegen „Establishment“ und Obrigkeit auf Barrikaden zu steigen und („Wir sind das Volk“) vorzugeben, die Mehrheit zu sein.  Gelbe Westen liegen auch in deutschen Kofferräumen zu Hauf. Die ersten sind in Stuttgart von gefrusteten Dieselfahrern ausgepackt worden. Die Gefahr, dass sich die schier ferngesteuerte, unkontrollierbare Bewegung auch außerhalb von Frankreich Raum schafft, ist deshalb keinesfalls zu unterschätzen. von reiner trabold

 

 

 

 

9. Februar 2019

 

Appell an alle Europäer

 

„Pulse of Europe“ ist eine Bewegung, die für Europa auf die Straße geht und die blauen Fahnen wehen lässt. Getragen und angetrieben wird der Puls von einem kämpferischen Herz, das das Feld nicht national-egoistischen Gruppierungen und Strömungen überlassen will. Engagiert sind im „Pulse of Europe“ auch Mitglieder aus Partnerschafts- und Verschwisterungsvereinen. Sie alle rufen die Freunde Europas auf, bei der Wahl am 26. Mai die Parteien zu stärken, die sich für die Europäische Union (EU) einsetzen. Sie sehen sich als Partner Europas nicht nur zur Wahl eines neuen Europäischen Parlaments verpflichtet, sie erwarten auch eine klare Absage an Kräfte, die ein Europa  der Nationalstaaten wollen. Denn Nationalisten und Populisten gefährden eine Gemeinschaft, die seit mehr als 70 Jahre Frieden in Mitteleuropa sichert. Nur ein einiges Europa kann sich im globalen Markt als ernstzunehmender Wirtschafts-Partner behaupten. Und wer steht für den Geist Europas, wenn nicht die Mitglieder der vielen Vereine, die sich mit Partnern in anderen Ländern verbrüdert haben und austauschen? Sie sind das Blut in den Adern, die den Puls von Europa schlagen lässt. von reiner trabold

 

 

 

9. Februar 2019

 

Aus alt wird neu

 

Seltsames Bensheim. Das Bürgerhaus restaurieren sie, das Haus am Markt reißen sie ab. Darüber, ob’s nicht andersrum besser gewesen wäre, wurde lange genug gestritten. Jetzt ist’s entschieden. 6,8 Millionen soll der Neubau kosten. Nicht höher, nicht breiter, nicht kleiner als das alte. Nur anders. Schöner. Jedenfalls steht das auf dem Papier. Die Abrisskosten sind im Preis sicher enthalten.  Was unterscheidet das neue vom derzeit das Bild des Bensheimer Marktplatzes überschattenden alten Haus? Unten ein Café. Hatten wir. Auch mit Außenbewirtschaftung. Darüber ein Familienzentrum. Ein Treffpunkt. Mit Kursen. Ist neu. Da saß vor Jahren mal das Radio drin und hatte zumindest eine Ausstrahlung. Oben multifunktional mit Konzerten, Lesungen u.ä. Wie bisher. Das öffentliche Klo unten. Gibt es noch. Was das neue vom alten Haus am Markt unterscheiden wird, ist hoffentlich ein Aufzug, damit es barrierefrei wird. Der Hospizverein als Mieter im Herzen der Stadt ist gut. Das Sterben in die Mitte der Gesellschaft zu rücken, scheint überfällig und geboten. Und ist hoffentlich kein Omen. Optisch scheint es dem ursprünglich an dieser Stelle stehenden, aber im Krieg leider niedergebrannten Rathaus nachempfunden. Ein Ersatz ist es nicht. Ob es mehr Leben auf den einseitig toten Platz bringt? Man kann es Bensheim nur wünschen. von reiner trabold