14.03.2018

 

Für „kleine Leute“

 

Endlich ist es soweit. Omi (früher Mutti) geht in die vierte Amtszeit. Und jetzt sind wir alle gespannt, ob es wieder nach dem alten Muster abläuft - oder ob die Koalitionäre aus dem Wahlergebnis tatsächlich gelernt und ihre Konsequenzen gezogen haben. „Wir haben verstanden“, hieß es damals, und was folgte war genau das gleiche Ritual wie immer. Außer dass die SPD beim Versuch alles richtig zu machen, alles vergeigte. Am Ende der Verhandlungen stehe ein Vertrag „für die kleinen Leute“, wie der künftige Heimatminister Seehofer es nannte. Die „kleinen Leuten“ werden ja immer mal wieder bemüht, und ich frage mich, wer damit gemeint sein könnte. Ab welcher Gehaltsstufe, ab welchem Hubraum, ab welcher Urlaubreise ist der Mensch „klein“, ab welcher ist er groß. Denn so viel ist klar: Wenn’s kleine Leute gibt, muss es auch große geben. Damit können ja nur die gemeint sein, zu denen die Kleinen aufschauen müssen, Menschen, die in der Hierarchie der Gesellschaft über den anderen stehen. Dieses Klassendenken glaubten wir überwunden. Dabei wissen alle, die nicht blind durchs Leben gehen, es gibt diese kleinen Leute. Sie sind so klein, dass sie durch jeden Rost fallen, weil sie kein Ein- noch nicht einmal ein Auskommen haben. Es ist bitter, die Schere zwischen Arm und Reich sich immer weiter öffnen zu sehen. Unsäglich, dass ein Spahn daher schwätzt, es gebe keine Armut in Deutschland.  Mag sein, dass hierzulande keiner verhungern muss, aber die „kleinen Leute“, die an den Tafeln um die Reste der Wohlstandsgesellschaft balgen, sind relativ arm. Auf jeden Fall bedürftig. Das ist unerträglich und hat mit Sozialneid absolut nichts zu tun, dass immer mehr Menschen am unteren Ende der Spirale angekommen sind, während andere den Rachen nicht voll genug bekommen können, ihre Milliarden am Fiskus vorbei in irgendein Steuerparadies schleusen. Soll also keiner sagen, es gebe nicht genug zu tun, wenn die neue Regierung ab sofort für die kleinen Leute ans Werk geht. Reiner Trabold

 

 

 

06.03.2018

 

Die Hymne

 

Mir war das Absingen von Nationalhymnen immer verdächtig. Auch das Schwenken der schwarz-rot-goldenen Fahne ist mir unangenehm. Warum? Weil mir die Deutschen einig Vater/Heimatland  zu nahe am Nationalismus sind. Und Nationalismus diesem Land noch nie etwas Gutes beschert hat, Nationalismus einem geeinten Europa im Wege steht. Seit der Wiedervereinigung, vor allem seit dem Sommermärchen 2006 hat sich das Land gewandelt. Die Hymne wird wieder mit einer Inbrunst gesungen, dass ich mich in meinem Vorurteil bestätigt fühle, die Flagge zu deutschen Siegen geschwenkt. Die Idee der Frauenbeauftragten Rose-Möhring, die dritte Strophe des Lieds der Deutschen von Hoffmann von Fallersleben geschlechtsneutral umzudichten, kommt vor der Fußball-Weltmeisterschaft (der Männer) zum richtigen Zeitpunkt. Während sich die Welt vor Terroranschläge während der Spiele fürchtet und die Italiener hoffen, die Meisterschaft ohne sie möge noch abgeblasen werden, weil die Stadien nicht fertig sind, diskutieren die Deutschen couragiert ums einig Heimatland. Wahrscheinlich im Vorgriff auf den künftigen Heimatminister aus Bayern. Oder weil sie ja keine anderen Sorgen haben. Mir wär’s lieb, die Hymne ertönte ohne Text. Die DDR kam ohne aus, und die spanische „Marcha Real“ auch.  Reiner Trabold