Bergsträßer Winzer: Erstmals wird das Gesetz Qualität vor Quantität aufgehoben –
„Besser Weine von hier als aus dem Bordeaux“
von Reiner Trabold
Mittwoch, 10. Oktober 2018
Heppenheim.
Das Gesetz, wonach beim Wein Qualität vor Quantität kommt, sei mit dem 2018 außer Kraft gesetzt worden, stellt der Vorsitzende der Bergsträßer Winzer eG, Reinhard Antes, seinem Statement für einen „hervorragenden Jahrgang“ vorweg. „Normalerweise gibt es entweder viel oder gut. Dieses Mal ist beides zusammengekommen“, sagte Antes. Der Winzer und Weinveredler sprach von einem „Spitzenjahrgang“ und einem „Wahnsinnsergebnis“ bei den Roten. „Die Botschaft sollte sein, die Leute sollen regional genießen und nicht Weine aus dem Bordeaux oder Burgund kaufen“, forderte Antes die Verbraucher zum Umdenken auf.
Mit eine eingebrachten Menge von 2,5 Millionen Liter sei man sehr zufrieden, bestätigte auch Geschäftsführer Otto Guthier. Weinfreunde könnten mit„fruchtigen Weißweinen mit moderater Säure“ zufrieden sein. Negative Auswirkungen durch die andauernde Trockenheit sei von den in großer Tiefe wurzelnden Reben ausgeglichen worden. Nur kleine Flächen an der Bergstraße, vor allem am Höllberg in Auerbach/Zwingenberg seien von der Trockenheit betroffen, und es sei Wasser gefahren worden. „Wir waren überrascht, dass die Natur Ernteverluste wettmachen konnte und wir die siebtgrößte Erntemenge in die Keller holen konnten“, sagt Guthier. Vor allem der spät gelesene Riesling habe sein Wasser offenbar durch den Morgentau gewonnen, denn man habe beobachten können, wie die Beeren der Trockenheit zum Trotz immer praller wurden.
Die Wetterbedingungen im Herbst nannte Guthier „für die Entwicklung der Trauben perfekt“. Die gefürchtete Kirschessigfliege habe durch die Witterung keine Chance gehabt, sei aber für die Zukunft weiter eine Gefahr.
Zahlreiche Partien erreichten Spitzenmostgewichte von mehr als 100 Grad Oechsle. Selbst der mediterrane Cabernet Sauvignon sei mit 98 Grad knapp hinter dem Spätburgunder (99 Grad) gelandet. Antes: „Noch zum Ende der Lese waren die Trauben so gesund, dass sich keiner unserer insgesamt 380 anliefernden Winzerfamilien daran erinnert.“
Die Lese begann am 21. August – so früh wie nie – und endete am 5. Oktober, dauerte mithin 35 Tage. Rund 65 Prozent der Trauben seien maschinell geerntet, der Rest per Hand gelesen worden. Nun hoffen die Winzer auf den ersten scharfen Frost (mindestens sieben Grad) und die Eisweinernte. 3000 Quadratmeter Roter Riesling, Riesling und Sauvignon Gris bleiben für diese rare Spezialität an den Stöcken.
„Wir müssen uns mit dem Thema Trockenheit und Wasser ernsthaft befassen“, kündigte Guthier an, der das Unternehmen am 31. Januar verlässt und in den Ruhestand entlassen wird. Die Winzer an der Bergstraße hätten nicht den Vorteil, das Wasser aus anderen Gewässern entnehmen zu können, sondern müssten Zisternen bauen, was wiederum Komplikationen mit Bebauungsplänen und Umweltauflagen bedinge. Tröpfchenbewässerungen, wie man sie aus Südtirol (dort hat jeder Weinstock eine Bewässerung) kenne, werde aber angesichts des rasant voranschreitenden Klimawandels unumgänglich.
fotos: copyright regina trabold