26.5.2018

 

Grünes Utopia

 

Grüne glauben fest daran, neue Straßen lohnten sich mit Blick in die autobefreite Zukunft gar nicht mehr. Man würde sich im Jahr 2030 in den Allerwertesten beißen, wenn man heute angesichts der Verkehrsströme und Abgase Projekte verfolge, die im Moment ihrer Realisierung bereits überholt seien, lehnt OB Jochen Partsch beispielsweise den teuren Oberfeld-Tunnel im Osten von Darmstadt als Alternative für die von seinen Grünen beerdigten Nordostumgehung rundweg ab. Fragt sich, warum die Öko-Jünger von einer vom wachsenden Verkehrsstrom umtosten Gesellschaft nicht geteert und gefedert aus der Stadt getrieben werden. Nein, sie werden sogar wiedergewählt – wohl weil sie bei notwendigen Alternativen keinen Schritt vorankommen und fast alles (zum Beispiel die Saladin-Ecke) so bleiben kann, wie es ist. Darmstadt soll - wie der OB gern demonstriert - mehr das Rad benutzen, damit die Straßen freier sind für Tausende von Pendlern. Radwege Fehlanzeige, dafür Fahrradstraßen. Mit der Schiene in den Osten haben nicht nur die Grünen Schiffbruch erlitten. Die Straßenbahn oder Stadt-Land-Bahn oder Bahn-Bahn scheitert an widerstreitenden Interessen. Solche Projekte sind offenbar dort umsetzbar, wo die Grünen weniger zu sagen haben. Dass die dringend notwendige und vom Bund priorisierte, finanzierte Umgehung von Groß-Bieberau nicht vorankommt, hängt an der Grünen Bremse in Wiesbaden. Man wird doch nicht eine teure Straße in die Gersprenz-Aue planen und bauen, wo doch absehbar ist, dass in Utopia die Menschheit auf öffentlichen Nahverkehr umsteigt. Dann wäre endlich mehr Platz auf den Straßen für all die, die sich Autofahren im grünen Utopia noch leisten können. Prima Aussichten. Reiner Trabold

 

 

24. Mai 2018

 

Diät ist Mist

 

Nein, das Wort Diät sollte ich wir erst gar nicht schreiben. Mit Diäten kenne ich mich aus, denn ich bin mit ihnen krachend gescheitert. Jojo kann ich da nur sagen, wo eigentlich Nönö gemeint ist. Man muss Nein sagen können. Und Nein heißt, sich Verschiedenes versagen. Aber was? Es gibt Gewichts-Manager, die versprachen zu meiner Erleichterung: Bei zwei bis drei Mal Sport in der Woche nehme keiner zu. Solchen Leuten glaube ich schon lange nichts mehr. Sportliches Engagement schadet nicht, aber leichter wird man damit nicht, wenn man mehr zu sich nimmt, als man verbraucht. Natürlich ist es frustrierend, die einen ohne Rücksicht auf die Figur essen und genießen zu sehen, während man selbst mit einem Magerprogramm zunimmt. Das ist verdammt ungerecht, aber eine Frage des Stoffwechsels. Und der ist eben verdammt individuell. Der eine verwertet alles, der andere nicht. Der eine vor allem Fett, der andere Kohlenhydrate (Carb). Folgerichtig feiert die Low Carb High Fat (LCHF)-Diät derzeit Urstände. Und dass ausgerechnet der angesehene Fernseh-Doc Hirschhausen aufs Intervallfasten schwört (14 bis 16 Stunden am Tag null, dann wieder normal), hat beim Fasten fast schon eine Volksbewegung ausgelöst.

 

Kaum ein Thema ist von so vielen Mythen besetzt wie die Ernährung. Was Wunder, dass  Schamanen, Quacksalber und Scharlatane das weite Feld erobert haben. Ich erinnere mich, über einen Gesundbeter gelesen zu haben, der die Kokosnuss zum Allheilmittel erklärte, weil sie dem Himmel so nah wächst. Er zog mit seinen Anhängern auf eine Südseeinsel und ernährte sich fast ausschließlich von den Nüssen. Nun. Die Geschichte endet damit, dass der liebe Gott sich der Kokoviristen fast erbarmt und sie zu sich in den Himmel geholt hätte, um sie mit heiligem Manna vorm Verhungern zu bewahren. Ähnlich abstrus erscheint es, sich in diesen Zeiten wie ein steinzeitlicher Höhlenmensch zu ernähren. Paleo-Diät nennt sich das. Fleisch, Gemüse, Beeren (davon lebten Neandertaler und Co.) dürfen gegessen werden, Getreide (wurde damals noch nicht angebaut) dagegen nicht. Wie Menschen davon ausgehen können, damit lebten sie besonders gesund, ist mir ein Rätsel. Bekanntlich wurden die Feuersteins in grauer Vorzeit nicht viel älter als 30.

 

Wer nicht zum Asket taugt, muss sich umstellen. Es reicht nicht aus, leichter zu werden. Das ist mit etwas Disziplin hinzubekommen. Entscheidend und richtig schwer ist es, leichter zu bleiben. Das ist die eigentliche Übung, bei der Ernährungsprogramme und Ökotrophologen sich zurückziehen und den Betroffenen allein lassen. Warum erkennt keiner, dass die Arbeit erst anfängt, wenn alle glauben, jetzt sei sie erledigt? Reiner Trabold

 

 

 

 

17. Mai 2018

 

Die Royals

 

Was ist am Samstag das Ereignis? Nein, nicht dass die Eintracht die Bayern im Pokalendspiel an die Wand spielt. Ja, es geht um die Hochzeit des Jahres und die Frage, wer die hübsche Meghan Markle zum Altar in der Kapelle von Schloss Windsor führt, welches Blumengebinde und welches Kleid sie trägt, wenn sie ihren blaublütigen Harry zum Manne bekommt. 

 

Nicht allein die Briten sind aus dem Häuschen. Die Hochzeit wird zum globalen Medienspektakel wie schon zuvor bei Prinz William. Mehr noch. Erstmals heiratet das Königshaus nach außerhalb, außerhalb des Empire, ja sogar des Commonwealth. Harry bekommt eine Ami-Braut. Hype könnte man es nennen. Von den Medien aufgepustet, von der Klatschpresse hochgejubelt. Und dann fragen sich in Deutschland mal wieder nicht wenige, warum wir nicht auch unsere Royals haben dürfen. Vor genau 100 Jahren wurde die Monarchie bei uns abgeschafft, doch die Sehnsucht nach dem einheitsstiftenden, überparteilichen, souveränen Souverän ist in vielen Köpfen über die Jahre geblieben wie ein buntes Abziehbild. Diese Sehnsucht wird von einer Parteimüdigkeit befeuert. Viele sind es leid, darauf zu warten, bis Politik zu wenig bewegt, sich um die Macht balgt, um Kompromisse streitet. Schon das Wort Kompromiss wirkt lähmend. Und deshalb wünscht sich das Volk – den starken Monarchen, der/die auch autoritäre Befehlsmacht  sein dürfte, solange er/sie Gutes bewirkt. In Wahrheit geht es denen, die sich die Queen in Deutschland wünschen, darum, sich  zu unterwerfen, aber frei zu bleiben, sich den Zwängen einer EU zu entledigen, wie es die einstige Weltmacht der Briten vormacht. Es gibt nicht wenige, die so denken und denen es Last genug ist, alle vier Jahre zur Wahl aufgefordert zu werden. Sie lesen in den bunten Blättern lieber von der Romantik europäischer Königshäuser, von Klatsch und Tratsch rund um die Krone. Wer ehrlich ist, gibt zu, dass er/sie fasziniert und etwas neidisch auf die Insel schielt und (noch verhalten) „Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wieder ham“ brummt. Ich sage entschieden Nein zu diesem Humbug. Die Republik wie wir sie haben, hat sich in 70 Jahren bewährt. Wir brauchen keine Aristokraten, selbst die Bayern keinen Kini. Was  wir  noch an wohlerzogenen Fürsten von und zu haben, muss zum Träumen ausreichen. Reiner Trabold

 

 

 

15. Mai.2018

 

Türkische Deutsche

 

Erdogan ist ein Fuchs. Mesut Özil und Ilkay Gündogan sind prominente Fußballer und stehen – wir werden es heute vom Bundestrainer erfahren – im Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft für die Fußball-WM in Russland. Sie sind Deutsche, aber auch Türken. Richtiger: Sie sind Türken, aber auch Deutsche. Sie „respektieren“ den türkischen Machthaber, sie achten die Werte – des DFB. Die sind ja bekanntlich attraktiv. Ich denke an die Millionensummen bei Transfers und auch Vergütungen für sportliches Engagement. Der DFB ist nicht Deutschland, auch wenn seine Statuten deutschem Recht entsprechen. Doch die Nationalspieler Özil und Gündogan werden einen Teufel tun und die deutsche Nationalhymne mitsingen. Womit wir beim Thema Integration von Deutschen mit „Migrationshintergrund“ sind. Wenn die beiden Kicker den schlauen Erdogan respektieren, müssen sie ihm noch lange nicht mit den überreichten Trikots (hoffentlich keine deutschen National-Shirts) ihre Verehrung in die Hand drücken und freundlich lächelnd im Blitzlichtgewitter posieren. Mehr politische Werbung geht nämlich nicht. Ganz klar: Özil und Gündogan sind stolz, Türken zu sein. Fuchs Erdogan ist zufrieden, dass sie sich für seine Interessen einspannen lassen.  Die Balltreter haben sich entschieden, im deutschen Trikot für die Nationalmannschaft, aber auch in Leibchen ihrer englischen Vereine aufzulaufen. Weil sie damit gutes, für manch einen viel zu gutes Geld verdienen. Mehr nicht.  Reiner Trabold

 

 

12. Mai 2018

 

Über Zeilenhonorare

 

Wieso glauben Zeitungsverleger eigentlich, freie journalistische Arbeit dürften sie mit Honoraren entlohnen, die auf der Höhe von Mindestlöhnen liegen. Ja, doch. Es gibt kaum schlechter bezahlte Jobs. Nehmen wir mal an, ein ausgebildeter freier Journalist werde mit geradezu fürstlichen 70 Cent die Zeile entlohnt. Er darf über eine Veranstaltung, die fünf Stunden dauert, großzügige 80 Zeilen schreiben. Nun spart er sich schon aus wirtschaftlichen Gründen zwei der fünf Stunden, was natürlich einer mangelhaften Recherche gleichkommt (weil er ja Zweifünftel der Veranstaltung verpasst). Sagen wir, er braucht eine Stunde, um mit dem Auto zur Veranstaltung und zurück zu kommen. Und – weil er Profi ist – nur eine Stunde, um die 80 Zeilen zu schreiben. Dann kommen wir unterm Strich auf fünf Stunden, bei 80 Zeilen à 70 Cent auf 56 Euro.  Macht 8,93 Euro die Stunde, knapp über dem offiziellen Mindestlohn von 8,84 Euro.  Und rechnet man das Beispiel für viel wahrscheinlichere 40 Cent die Zeile. Ergibt 32 Euro für sagen wir vier Stunden, weil er der Veranstaltung nur zur Hälfte beiwohnt, schneller fährt und schreibt. Dann kommen wir auch glatte acht Euro die Stunde. Und wieso kann einer glauben, der qualifizierte Mitarbeiter könne sich Zeit für ordentliche (zeitaufwendige) Recherche und einen sauberen, fehlerfreien wohl formulierten Beitrag nehmen, von dem er – wohlgemerkt -  die Umsatzsteuer abziehen und den er in Höhe seines Einkommenssteuersatzes versteuern muss, von dem die Benzinkosten und andere Aufwendungen abzuziehen (und beim Finanzamt wiederum gegenzurechnen) sind? Dann heißt es, es gebe schließlich auch Artikel, die mit einem Telefonat von ein paar Minuten den gleich Ertrag brächten, schnell geschrieben seien. Das gleiche sich in der Mischkalkulation aus. Mag sein. Es wäre der einzige Grund dafür, dass ein Heer von Freien den Qualitätsjournalismus über Wasser halten, der Verlegern offenbar nicht viel wert ist. Reiner Trabold

 

 

 

 

 3. Mai 2018

 

 

Mehr Radler, mehr Opfer

 

Dass in Darmstadt laut Statistik immer mehr Radfahrer verunglücken, muss keinen wundern. Nein, das ist nicht nur deshalb so, weil in Darmstadt zwar über Radwege immer mal wieder gesprochen, aber keine gebaut werden und es kein intaktes Radwegenetz gibt. Es liegt wahrscheinlich vor allem daran, dass in Darmstadt (auch wegen astronomischer Parkgebühren) viele aufs Zweirad umgestiegen sind, die vorher noch mit dem Auto innerstädtisch unterwegs waren. Heißt: Immer mehr Radler, immer mehr Opfer. Folglich: Es reicht nicht aus, für das Fahrrad als Nahverkehrsmittel zu werben (weil sich das unter anderem positiv auf die Luftqualität und die eigene Puste auswirkt) und Bürgern kostenlos E-Lastenräder zu verleihen, es gehört auch die notwendige Infrastruktur her. Und da – man soll es nicht glauben, aber es ist leider so – hat Grün samt grünem OB und schwarzem Lordsiegelbewahrer städtischer Finanzen in grün-schwarzen Jahren einfach zu wenig auf den Weg, sagen wir ruhig Radweg, gebracht. Nun ist, wie sich am Beispiel Bismarckstraße zeigt, der Radweg aber auch nicht das sicherste Terrain für Radfahrer. Und Fahrradstraßen, wie sie Darmstadt geschaffen wurden, sind nicht mehr als ein Feigenblatt, das über das erbärmliche Versagen gelegt wird. Aber Statistiken lügen nicht, auch wenn sie vielleicht nicht immer die ganze Wahrheit verraten. Reiner Trabold