Als Bäcker rank und schlank
Petra und Michael Hofmann aus Eberstadt lassen sich ihre Leckereien schmecken, sind aber Intervall-Faster
„Da stehst du den ganzen Tag lang vor diesen leckeren Sachen“, sagt Petra Hofmann und zeigt auf die Auslagen in der Eberstädter Bäckerei. Widerstehen, das sei schwieriger als sich satt zu sehen. Sie weiß: „Mit der Zeit ist der Reiz an Kaloriensünden überstanden. Dann macht’s mich der extrem aromatische Duft nicht mehr an. Ich bin resistent, lasse mir aber unsere Produkte trotzdem schmecken.“ Unser Thema: Wie gelingt es dem Bäcker-Ehepaar Petra und Michael Hofmann, bei all den vielen Leckereien schlank und rank zu bleiben?
Die Bäckerin ist Ernährungsberaterin, eine staatlich zertifizierte gar. Das mag ein wichtiger Grund sein für die Linie des Paares. Zwei Semester lang hat sie an der Berufsakademie in Weinheim mehrere Kursmodule belegt und sich ausbilden lassen. Jetzt weiß sie Bescheid über „fermentable oligo-, di and monosaccarides and polyols“, eine Bezeichnung für Kohlenhydrate und Zuckeralkohole, die so kompliziert ist, dass sie zu FODMAP abgekürzt werden muss. Einfach gesagt handelt es sich um Bausteine, die in vielen Nahrungsmitteln vorkommen, vom Dünndarm nicht richtig verarbeitet in den Dickdarm geraten, unverträglich sind und daher blähen. Das Geheimnis für den sogenannten Reizdarm, der immer mehr Menschen zu schaffen und die Pharmaindustrie satt macht. Für die Hofmanns ist klar: Vor allem Weißmehlgebäck wird industriell viel zu schnell verarbeitet und kann nicht ordentlich verdaut werden. „Durch eine längere Teigführung bei der handwerklichen Bäckerei wird der fermentierbare Ein- und Zweifachzucker schon umgebaut und das Problem ist gelöst“, erklärt die Ernährungsberaterin.
Interessant ist, dass viele Menschen Dinkel, den Urweizen, ebenso wie Roggenvollkorn besser vertragen als das reine Weizenmehl. „Dass Dinkel bekömmlicher ist als Weizen kann eigentlich gar nicht sein“, stellt die Bäckersfrau fest. Als mögliche Ursache vermutet sie, dass bei der Verarbeitung von Dinkel mehr zeitlicher Aufwand betrieben wird. Der Teig werde „mehr betüttelt“. Bäcker Hofmann backt mit 100 Prozent Dinkel, obwohl gesetzlich 90 Prozent Vorschrift sind. „Für mich ist klar, dass auch beim Dinkel der Faktor Zeit entscheidet und die Fodmaps dadurch schon vergoren sind, bevor sie gegessen werden. Weißes Dinkelmehl (Type 630) enthält mehr Mineralstoffe als Weißmehl der Type 405, wobei die Typenzahl den Rest an Mineralstoffen bezeichnet, der im Mehl enthalten ist.
Nur zwei Prozent der Bevölkerung leiden nach einer Erhebung an einer Glutenunverträglichkeit. Das Klebereiweiß Gluten ist in allen Getreidesorten enthalten, wobei Dinkel mehr davon enthält als Weizen, Roggen am wenigsten. Dass Vollkorn weniger Kalorien habe als normales Mehl verweisen die Bäcker in die Welt der Märchen. „Brote aus verschiedenen Mehlen liegen bis auf wenige Ausnahmen wie fetthaltige Brioche-Brote beim Brennwert ziemlich gleichauf. Vollkorn (das bedeutet, dass das Mehl alle Bestandteile des Korns enthält) wird nicht sofort verstoffwechselt. Es hat deutlich mehr Ballaststoffe als herkömmliches Weißmehl, weshalb für die Verdauung mehr Energie aufgewendet werden muss und Vollkorn länger satt macht“, weiß die Ernährungsberaterin.
Bei süßen Stückchen und Kuchen empfiehlt Bäckerin Hofmann die mit Kirschen gefüllte Vollkornschnitte aus Einkorn, Emmer, Dinkel und braunem Zucker. Die seien sicherlich gesünder als Schokotörtchen. Und Sahnetorte zieht die Ernährungsberaterin der deutlich gehaltvolleren Buttercreme oder Schokolade vor. Für die Fastenzeit rät Petra Hofmann nicht, auf Brot zu verzichten: „Mit Brot lässt sich abnehmen. Wenn man es nicht dick mit Butter oder Wurst belegt. Man kann sich sogar ausschließlich mit Brot ernähren. Denn es enthält neben Stärke auch Eiweiß und Mineralstoffe. Aber ich halte wenig von einseitigen Diäten. Mein Mann und ich setzen auf das Intervallfasten in Kombination mit Jogging, Tanzen und Pilates. 16 Stunden fasten, acht Stunden bleiben für die Nahrungsaufnahme. Damit hat man sein Gewicht prima im Griff.“ Und kann trotzdem ohne Heißhunger stundenlang im Bäckerladen oder in der Backstube stehen.
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Michael und Jonas Hofmann dürfen sich jetzt „Brot-Sommeliers“ nennen,
und Petra Hofmann kocht mit regionalen Zutaten
Ein Brot, fast so dünn wie ein Faden. „Ficelle“ nennt sich das Französisch, ein knuspriges Baguette mit nussigen Aromen in der Kruste. Damit startet Bäcker Hofmann seine „Darmstädter Genussreise“, zu der Vater Michael und Sohn Jonas Brote gebacken haben und Mutter Petra vier Gänge serviert. Auf Regionalität legen sie Wert. Der Genussreise ging die Suche nach Produzenten aus der Nähe voraus. Die Zutaten für den Apfel-Sellerie-Salat ist mit einem Hausdressing angemacht, für das der Senf vom regionalen Lädchen Heiping (einer Wortkreation aus „Heiner“ und „Lapping“ für Bessungen) kommt. Tongabohne verleiht ihm den speziellen Geschmack. Der Rote Gravensteiner, der der Vorspeise seine Fruchtigkeit gibt, stammt von einer Eberstädter Streuobstwiese.
Den Käse liefert das Hofgut Oberfeld. Silke Kunkel erläuterte, wo und wie die Milch der Schwarzbunten zu Weich-, Schnitt- oder Hartkäse verarbeitet wird. Das Brot dazu haben die Brot-Sommeliers Michael und Jonas Hofmann aus Erzeugnissen aus dem unmittelbaren Umfeld hergestellt, gemahlen von der Schlossmühle bei Ober-Ramstadt. Rund 500 Stunden haben Vater und Sohn an der Akademie in Weinheim absolviert. Sie haben in sechs Arbeitsfeldern eine Prüfung zum Thema „Wie schmeckt Brot“ abgelegt, um sich „Sommeliers“ nennen und sich die Bezeichnung auf die weiße Bäckerweste sticken zu dürfen. „Kinderkorn“ ist ein Brot, das mit geraspelten Möhren, Kartoffeln und Sonnenblumenkernen nicht nur bei Kindern gut ankomme, sondern eines der meistverkauften Brote der Bäckerei Hofmann sei, erfahren die Genussreisenden, zu denen auch der Darmstädter Bezirksbürgermeister Ludwig Achenbach und der Darmstädter Stadtrat Dr. Dierk Molter gehörten. „Opas Nussbrot“ wird mit einem Weizensauerteig, gerösteten Hasel- und Walnüssen gebacken. Dass der Opa Adolf hieß, tut nichts zur Sache. Braun ist nur die Rinde.
Und was macht Hofmanns Brote zu einem besonderen Lebensmittel? „Es ist der Faktor Zeit, der unsere handwerklich gemachten Produkte auszeichnet und von Industrieprodukten unterscheidet“, weiß Michael Hofmann. Er habe sich frühzeitig auf alte Backtradition zurückbesonnen. Das zeichne seiner Bäckerei aus, werde von der Kundschaft goutiert, weshalb der Bäcker auf der Genusswelle reitend an neue Herausforderungen denken darf. Der rustikale „Urmeter“ aus Urgetreide wie Dinkel, Emmer, dem wilden Waldstaudenroggen und Einkorn hat eine dunkle, süßlich nach Röstaromen, sogar Kaffee duftende Kruste und passt ausgezeichnet zur Salami von einem Bessunger Metzger. Das „Hausbrot“ wird mit Sauerteig nach einem Rezept des Gründers der Bäckerei Hofmann gebacken und ist ideale Unterlage für die Hausmacher Leber- und eine Meng-Wurst. Vom selben Metzger stammt auch das Fleisch für die Rouladen, die Petra Hofmann mit Kalbsbrät und Trompetenpilze gefüllt hat. Dazu reicht die Bäcker-Küche einen Knödel aus der „Alpenkruste“, für die – wenig regional – Schweizer Mehl verwendet wird. Begleitet wurden das Menü übrigens von Weinen des Winzers Dr. Schneider aus Worms – auch bei der Weinauswahl geht es sicherlich regionaler.
In monatlichen Backworkshops können sich Laien von den Sommeliers in die Geheimnisse des Backhandwerks einweihen lassen. „Genussreisen“ sollen vier Mal im Jahr angeboten werden. Anmeldungen unter 06151 55693.
Der Begriff Sommelier
bezeichnet einen für Getränke, speziell Wein zuständigen Kellner. Das sind die Servicekräfte, die Gäste gern bei der Wahl der zu den jeweiligen Speisen passenden Tropfen beraten. Inzwischen wird das Wort Sommelier (weiblich Sommelière) geradezu inflationär auch für die gastronomischen Sparten Brot, Bier, Kaffee, Tee, Wasser, Käse, Fleisch und Fisch verwendet.