31. Januar 2020

 

Der Wahnsinn

 

Es ist der ganz normale Wahnsinn. Die einen stürmen freitags für „future“ durch die Straßen, die andern demonstrieren gegen Windräder – oder gegen Tesla, das in Brandenburg E-Autos bauen und Arbeitsplätze schaffen will. Sicherlich gibt es gute Gründe, sowohl das eine als auch das andere abzulehnen. Es geht um Landschaft, um Wald, auch wenn es nur minderwertige Fichtenplantagen sein sollten. Lebensqualität heißt für viele möglichst nichts zu verändern, was lieb und teuer ist. Es ist der Preis einer freiheitlichen Gesellschaft, sich zu empören, Widerstand zu leisten und sich zu verweigern. Vernunft ist etwas anderes. Aber was hat Irre mit Vernunft zu tun? Atom- und Kohleausstieg, Strom statt Benzin, weg mit dem Klimakiller Kohlendioxid und dem Menschenkiller Stickoxid, kein landwirtschaftsfreundlichen, dafür kraut- und insektenfeindliches Glyphosat. Nach Rinderwahn, Gammelfleisch, Schweinepest und Vogelgrippe jetzt Corona, ein Virus für die nächste Aufregung. Und schon sind alle Atemmasken ausverkauft. Die Menschheit ist getrieben und hysterisiert von unterschiedlichsten auf sie einstürmenden Szenarien, wahrscheinlich mit all dem überfordert. Dabei verändert sich nichts. Außer den Schlagzeilen. Sie können angst und bange machen. Ganz normaler Wahnsinn eben. Reiner Trabold

 

 

Raus

Die Gefahr ist vorbei, das Unheil abgewendet. Drei Jahre nach dem unglückseligen Referendum sind die Engländer endlich raus. Und die Briten? Was ist mit denen, die im Königreich gefangen sind, bleiben wollen, aber zum Gehen gezwungen werden? Wie die Schotten und all die Remainers? Sie müssen sich jetzt wohl fügen. So wie die EU. Nun, der Ausstieg nach dem Ausstieg, ein Freihandelsabkommen, steht ja noch aus. Und wieder lautet die Frage Deal oder no Deal? Erst danach ist die Insel nach 47 Jahren von der Kette, können die Brexiteers befreit durchatmen, dürfen ihre Queen und das Pfund behalten, weiter links fahren, ihr schales Ale trinken und müssen nicht mehr jeden ins Land lassen. Dabei frage ich mich, ob das je der Fall war. Denn ich habe nirgends in Europa so gründliche Kontrollen erlebt wie vor den Gates der Fähren oder dem Tunnel. Der sollte gleich morgen als geflutet werden. Nein, ich sage nicht Goodbye, wünsche schon gar nicht alles Gute. Ich gehöre auch nicht zu denen, die auf die Rückkehr hoffen. I‘m badly disappointed. Es wäre fatal und stellte Europa auf den Kopf, gelänge es Boris Johnson und einem Nigel Farage auch noch, aus dem Ausstieg eine Erfolgsstory zu machen. Zeigt sich, es geht ohne Brüssel besser, fällt die Wirtschaftsgemeinschaft Europa vollends auseinander. Bestrebungen der Nationalisten gibt es genügend, die Brüssel als Knebel des Kontinents sehen. 

 

Ein Fazit am Tag des Abschieds: Die Schlacht ist verloren. Die EU erlebt ein kleines Waterloo. Wieder obsiegt Britannien. Aber es ist nicht mehr das Empire von damals und Europa ist ein anderes Europa als das unter Napoleon. Die Briten und nicht allein die Engländer neigen leider dazu, sich und ihre Rolle in der Welt maßlos zu überschätzen, behaupte ich. Ich hoffe, dass sie Wirklichkeit den Brexit bald einholt, sich zeigt, wie sehr die Insel von der EU profitiert hat – und dass nicht alles besser wird, weil nun Brüssel London nichts mehr zu sagen hätte. Reiner Trabold

 

 

 

Zu viel der Ehre

 

für Heppenheim. Jetzt, wo Hockenheim im Formel-I-Zirkus aus dem Rennen ist, wird die Kreisstadt  Schauplatz wilder Autorennen. Die Verfolgungsjagd durch die Fußgängerzone in einem Porsche-Werbespot und kommt groß raus. Denn der Streifen wird in der Pause des 54. Super Bowl  für Millionen Dollars vor einem Millionenpublikum laufen. Dass die Kansas City Chiefs gegen die San Francisco 49ers um den Titel spielen, ist dabei eigentlich nebensächlich. Wichtig sind die Webeeinnahmen und dass Porsche durch die Heppenheimer Innenstadt zeigen  darf, wie schnell es sich auch in Fußgängerzonen rasen und mit quietschenden Reifen über den Marktplatz schleudern lässt. Wenn das nicht Nachahmer findet. Wohl kaum Zufall, dass die sportlichen Sportwagen aus Zuffenhausen nicht durch Stuttgart, sondern ausgerechnet durch die Stadt flitzen, in denen Ferrari-Pilot Sebastian Vettel wenn nicht zu Hause so doch zumindest geboren und groß geworden ist. Der Super-Coup mit dem Bowl ist gelungen. Mal sehen, ob und wann Ferrari zurückschlägt und am Rathaus von Bürgermeister Rainer Burelbach vorbeiröhrt. Der glaubt auch noch, das sei gute Werbung für seine Stadt. Ein Sündenfall ist das und unglaublich, dass dafür die Dreherlaubnis erteilt wurde.  Reiner Trabold

 

 

 

 

28. Januar 2020

 

Unvergessen

Vor 40 Jahren war ich in Auschwitz. Das Gefühl, das mich damals in der Gedenkstätte und auf der Rampe des Vernichtungslagers Birkenau überkam, werde ich nie vergessen. Ich habe mich zutiefst geschämt und in meiner Ergriffenheit ungehemmt geweint. Die Befreiung des Lagers und das Ende der Nazi-Herrschaft lagen 1980 gerade mal 35 Jahre zurück. Dass der Hass auf Deutsche sich in Polen dadurch ausdrückte, dass  uns ein riesiges Hakenkreuz aufs Heck des Buses gekratzt wurde, hat meine Betroffenheit noch verstärkt. Sie hat bis heute nicht nachgelassen. Aber ich erkenne, wie schwer es ist, sie nachfolgenden Generationen zu vermitteln. Nein, ich habe mich nicht schuldig gefühlt für das, was an dieser Stelle der Barbarei geschehen konnte. Ich habe mir geschworen, die Lehre daraus nie zu vergessen.  In meiner Kindheit, den ersten Nachkriegsjahren, saßen Schreck und Scham derer, die die systematische Verfolgung und Ermordung miterlebt hatten, so tief, dass sie lange schwiegen. Die Konfrontation mit dem Grauen und ein erstes Aufarbeiten kamen erst Ende der 60er. So lange dauerte es, die Schockstarre aufzubrechen. „Erinnern heißt, eines Geschehens so ehrlich zu gedenken, dass es zu einem Teil des eigenen Innern wird. Das stellt große Anforderungen an unsere Wahrhaftigkeit“, sagte der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985, 40 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Worte, die sich bei mir eingebrannt haben und die mir angesichts von sich ausbreitendem Fremdenhass und Intoleranz, blindem Nationalismus  und tumbem Populismus wie ein böses Orakel erscheinen.

von Reiner Trabold

 

 

 

17. Januar 2020

 

Vom Pech der Eintracht

An diesem Wochenende startet die Rückrunde der Bundesliga. Meine Eintracht muss in Hoffenheim hoffen, nicht wieder leer auszugehen. Habe gerade in meiner Zeitung über Erinnerungen ans Abstiegsjahr 2011 gelesen. Im Beitrag macht sich Johannes Aumüller Gedanken darüber, ob Frankfurt mit einer Viererkette statt dem bisher gewohnten 3-5-2-System antreten könnte, um die Punkte einzuheimsen, die in den vergangenen sieben Spielen ausgeblieben sind. Denn seit dem gloriosen 5:1-Sieg gegen die Bayern ist Adi Hütters Elf nur ein Punkt gelungen. Nun, die Lage ist auf Rang 13 zweifellos ernst. Aber nicht wegen des falschen Spielsystems. Eher wegen der ebenfalls erwähnten Überlastung aus 31 Pflichtspielen in dieser Saison und 56 im Jahr 2019. Da hat die Mannschaft Federn gelassen und einige Male recht unglücklich verloren. Verletzte sind die Folge des Programms. Es fielen ja nicht nur die beiden Tormänner Trapp und Rönnow aus, sondern auch noch so wichtige Spieler wie Rode, Paciencia, De Guzmann. Dass der Argentinier Abraham nach seinem rüden Bodycheck gegen den Freiburger Trainer Streich bis zum Jahresende und auch Verteidiger Hinteregger gesperrt wurden, hat das Team ebenfalls empfindlich geschwächt. Die Strafe für Abraham war ok., aber zu hart im Vergleich zur glimpflichen Vier-Spiele Sperre von Schalke-Torwart Nübel. Denn der hatte den Frankfurter Gacinovic  in Kung-Fu-Manier am dem Weg zum Ausgleich auf Schalke abgeräumt – und die Eintracht leider 0:1 verloren. Frankfurt ist noch im DFB-Pokal, in der Euro-League dabei, ein schweres Pensum für die angeschlagene Hütter-Elf. Ich wünsche meiner Eintracht für 2020 viel Eintracht und mehr Glück als in der Hinrunde. Reiner Trabold

 

 

 

11. Januar 2020

 

Ewiges Après-Ski?

„Ohne Schnee kein Ski“, schreibt meine Zeitung unter dem Titel „Es grünt“. Sieht derzeit schlecht aus für Wintersportler. Viele Pisten im Gebirge sind keine, Loipen sind nicht gespurte Wanderwege. Vielerorts sieht es in angeblich schneesicheren Gebieten so aus wie bei uns an der Bergstraße immer. Mag sein, dass sich auch dieser weitgehend schneearme Winter mit dem Klimawandel erklären lässt – nachdem er vor einem Jahr dafür herhalten musste, dass Häuser unter den Schnee- und Eismassen zusammenzubrechen drohten. Es ist nicht der erste Winter, in dem Schneekanonen erledigen müssen, was die Jahreszeit verweigert. Den Preis zahlten unter anderem die kleinen Skigebiete, „die nicht mithalten können“, bedauert die Zeitung und stellt ein regelrechtes Artensterben kleiner, putziger Skigebiete fest. „Den größten Preis zahlt die Natur“, heißt es weiter, denn der Skizirkus mache mit energiehungrigen Beschneiungsanlagen kaputt, wonach sich der Skiläufer sehne. Und: Das ganze Vergnügen wirke in diesen Tagen „wie aus der Zeit gefallen“. Richtig. Nur gilt dies nicht nur für diesen Winter, sondern generell. Wie überall, wo die Spezies Mensch in Massen auftritt, bleibt die Umwelt auf der Strecke. Das zeugt von beispielloser Rücksichtslosigkeit und einem kurzsichtigen Egoismus. Obwohl alle Welt vor den Folgen des Klimawandels die Hände über dem Kopf oder vor den Augen zusammenschlägt und ein großes Gezeter anstimmt, werden sie Brettl gepackt, und ab geht’s in die Berge. Der Zeitungs-Beitrag, so viel sei hier gesagt, endet versöhnlich, weil das Unternehmen Wintersport umweltverträglich umrüste und radikal umdenke – „jenseits des Kunstschnees, jenseits des Skigeschäfts. Ewiges Après-Ski“. Keine Frage: Wir retten die Welt. Reiner Trabold

 

 

 

6. Januar 2020

 

Unberechenbare Amerikaner

 

Er habe gehandelt, „um einen Krieg zu beenden“, ließ US-Chef Trump wissen, nachdem er den iranischen Schurken-General Soleimani per Drohne hatte ausschalten lassen. Keine Frage, es hat den Richtigen getroffen. Dabei musste es doch gerade dem Präsidenten der „friedliebenden United States“ klar sein, dass er mit dem Exekutions-Kommando Rohöl ins Feuer des brennenden Mittleren Ostens gießt. Von welchem Krieg aber spricht Trump? Vielleicht den, den sein Amtsvorgänger George W. Bush mit dem Überfall auf Saddam Huseins Irak völkerrechtswidrig losgetreten hat. Und zwar ohne strategischen Plan, sondern mit der erfundenen Behauptung, der Diktator von Bagdad sei im Besitz chemischer Waffen. Damals verweigerten Verbündete dem militärischen Schlag ebenso die Gefolgschaft wie der einseitigen Aufkündigung des mühselig errungenen Atomabkommens mit Iran durch Trump. Es waren die USA, die mit der Intervention im Irak 2003 ein Machtvakuum schufen, das der Islamische Staat (IS) füllte. Mit einem Schlag wurde nun auch noch die in den vergangenen Jahren aufgebauten Bande zwischen Washington und Bagdad zerstört. Im Irak als auch in Teheran schäumt der Volkszorn. Trump schickt nun eiligst Truppen (denen er versprochen hatte, sie nach Hause zu holen), um die Landleute vor Ort zu schützen. Sie werden den Brand nicht austreten können. Auch mit dem diplomatischen „Trump-As“ Wirtschafts-Sanktionen wird eher das Gegenteil erreicht. Mag sein, dass Trump mit seinen Aktionen das amerikanische Wahlvolk beeindruckt, seine Politik macht die USA immer unberechenbarer. Reiner Trabold